Digitalisierung mit Substanz

Interview mit Prof. Dr. Kwasniok

Prof. Dr. Sascha Kwasniok, seit 1. Januar 2020 Professor und Studiengangsleiter in BWL - Versicherung, ist der DHBW Mannheim treu. Von 2003 bis 2006 war er selbst dualer Student, damals noch an der Berufsakademie, fand in Herrn Prof. Hans Meissner einen Mentor und in seinem dualen Partnerunternehmen, der Alte Leipziger-Hallesche Versicherungsgruppe, seinen stetigen Begleiter – bis heute. Das duale Studienmodell hat er aus unterschiedlichen Perspektiven kennengelernt, wovon seine heutigen Studierenden profitieren können.

Herr Prof. Kwasniok, nach Ihrem dualen Studium an der Berufsakademie, sind Sie noch als Akademischer Mitarbeiter sowie Dozent an der DHBW Mannheim aktiv gewesen und heute bei uns Professor. Wie sah Ihr Werdegang außerdem aus?

Was mich interessiert hat, war die Arbeit rund um Finanzen und Versicherungen. Klassisch studieren wollte ich nicht, also entschied ich mich für eine Bewerbung um einen dualen Studienplatz. Glücklicherweise wurde ich bei der Alte Leipziger-Hallesche genommen. Nach dem Studium habe ich noch ein Jahr lang dort in der Betriebsorganisation gearbeitet. Doch schon im Studium hatte ich gemerkt, dass ich gern wissenschaftlich arbeite. Unterstützt von Prof. Hans Meissner habe ich mich in Richtung Promotion umgeschaut. Es war damals zunächst nicht klar, ob BA-Absolvent*innen zur Promotion zugelassen werden. Doch es klappte. Dafür musste ich erst ein Eignungsfeststellungsverfahren zur Vorbereitung auf eine Promotion absolvieren – eine Art Aufbaustudium in Wirtschaftswissenschaften. An der Universität Karlsruhe, heute KIT, bekam ich einen Platz und promovierte dort im Anschluss. Parallel dazu war ich Akademischer Mitarbeiter an der DHBW Mannheim und hielt erste Vorlesungen in BWL - Versicherung. Nach der Promotion war ich wieder bei der Alte Leipziger-Hallesche, erst 3 Jahre lang als Prozessberater (Inhouse Consulting) operativ tätig und dann in der Unternehmensstrategie mit dem Fokus Digitalisierung.

Und warum dann der Schritt in die Vollzeit-Lehre?

Auch während meiner Arbeit bei der Alte Leipziger-Hallesche habe ich als Lehrbeauftragter an der DHBW Mannheim Studierende begleitet. Das wissenschaftliche Arbeiten und der Kontakt mit den Studierenden machten mir sehr viel Freude, darauf wollte ich mich konzentrieren. In der Wirtschaft bearbeitet man viele spannende Projekte, schnelle Entscheidungen sind gefordert – man hat dadurch aber auch immer Umsetzungs- und Zeitdruck. Jetzt habe ich wieder mehr Freiheiten und mehr Zeit, mich intensiver mit einem Thema zu beschäftigen, z. B. in den Bereichen Innovation und Organisation. Außerdem war das Lernfeld Digitalisierung in der Studienrichtung bisher nicht explizit besetzt. Hier kann ich meine jahrelange Berufserfahrung einbringen.

Neben der erwähnten „Digitalisierung der Versicherungswirtschaft“ sind Ihre Schwerpunkte in der Lehre „Angewandte Versicherungs-BWL“ und „Organisationstheorie und -entwicklung“. Inwiefern können Studierende von Ihrem beruflichen und wissenschaftlichen Know-how profitieren? Was macht Sie als Professor aus?

Meine Schwerpunkte spiegeln auch die Inhalte wider, mit denen ich mich in der Praxis tiefergehend beschäftigt habe, vor allem im Bereich Digitalisierung. Hier sehe ich die Herausforderung, Substanz in das Thema zu bringen – die Digitalisierung zu entmystifizieren. Was steckt alles dahinter? Was kann man mit Technik machen? Es gibt sehr viele Möglichkeiten, mit Daten zu arbeiten, allein im Bereich Lebens- oder Krankenversicherungen. Jedoch sind Kunden und teilweise Mitarbeiter*innen oft skeptisch. Unsere Studierenden müssen keine Digitalisierungs-Expert*innen werden, aber es ist wichtig, dass sie ein gutes Handwerkszeug bekommen, um diese kritischen Zielgruppen vom Mehrwert der Digitalisierung zu überzeugen. Dazu gehört u. a. das Aufdecken von Vorsorgelücken. Auf der anderen Seite geht es aber auch darum, Kundenbedürfnisse zu bedienen. Bei der Alte Leipziger-Hallesche hatte ich die Projektleitung für ein Kundenportal inne. Ziel war es, mehr Touchpoints mit unseren Kunden zu bekommen. In dem Kundenportal sollten sie einen Überblick über alle Finanzen und Versicherungen bekommen – Stichwort „Financial Home“. Aus diesem Projekt kann ich meinen Studierenden Praxisbeispiele liefern, bringe also bei, was ich selbst in der Wirtschaft gelernt habe. Meine berufliche Erfahrung hilft mir auch, den Unterschied zwischen Theorie und der praktischen Realität zu erfassen und darauf einzugehen. Erlebnisse von Studierenden aus den Praxisphasen kann ich gut einordnen und so für alle anderen Studierenden ebenfalls nutzbar machen. In unserer Studienrichtung wollen wir einen regen Erfahrungsaustausch generieren – auch, bzw. gerade zwischen den Studierenden. Sie sollen voneinander lernen. So liefern z. B. jene aus dem Versicherungsvertrieb Beispiele aus dem Kundenkontakt. Andererseits kann ich Vorgehensweisen oder Probleme aus der Praxis wissenschaftlich fundieren.

Was ist für Sie das Besondere an der Dualen Hochschule?

Neben der Praxisintegration gefällt es mir sehr, dass wir einen intensiven direkten Kontakt zu unseren Studierenden haben. Einerseits auf inhaltlicher Ebene, denn wir sind immer offen für Rückfragen. So wissen wir, was Studierende bewegt. Aber auch auf persönlicher Ebene. Teilweise bestehen Kontakte noch zu Ehemaligen, das heißt, man begleitet ihre persönliche und berufliche Entwicklung über Jahre und kann bei Bedarf unterstützen. Das ist für mich ein sinnstiftender Beruf.  

Gibt es etwas, das Sie Ihren Studierenden mit auf den Weg geben möchten?

Haltet den Geist offen. Nehmt euch die Zeit, euch auch außerhalb des Studiums mit vielfältigen Dingen zu beschäftigen – Sport, Kultur, etc. – aber auch fachlich. Beschäftigt euch mit angrenzenden Disziplinen und fokussiert euch nicht zu früh auf eine Sache. Nutzt die Chance, andere Menschen und Perspektiven kennenzulernen und lauft mit offenen Augen durchs Leben.

Was machen Sie, wenn Sie nicht arbeiten?

Sport – aktiv und passiv. Ich laufe gern, allerdings maximal Halbmarathon-Distanzen. Und am Wochenende schaue ich gern mit meiner Frau zusammen Fußball im Stadion der Eintracht Frankfurt.