Wasserstoff-Leichtkraftrad an der DHBW Mannheim

Projekt für nachhaltige Mobilität erfolgreich abgeschlossen

Ein elektrisches Leichtkraftrad mit 150 km Reichweite und Betankung in unter einer Minute? Die DHBW Mannheim hat herausgefunden, wie es geht. Ende 2021 hatte die SOL Motors GmbH bei der Innovation Challenge Mobilität und Produktion ihre Idee vorgestellt: Das Start-up aus Böblingen wollte sein Leichtkraftrad "Pocket Rocket" durch einen Brennstoffzellenantrieb zu einer "Pocket Rocket H2" upgraden. Das Forschungsteam um Prof. Dr. Volker Schulz der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mannheim präsentierte hierfür einen überzeugenden Ansatz, setzte sich gegen die konkurrierenden Wettbewerber durch und erhielt für das Projekt über 16 Monate hinweg eine Förderung vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Nun sind die – teils überraschenden – Ergebnisse der Machbarkeitsstudie da und ermöglichen den nächsten Schritt hin zum Prototyp.

E-Bikes, E-Roller und E-Scooter sind bereits Teil des Stadtbildes geworden. Bei kleinen Motorrädern, sog. Leichtkrafträdern, ist der Aufbau im Elektrosektor gerade im Gange. Mit einem auffälligen Design kommt im Herbst dieses Jahres die "Pocket Rocket" der SOL Motors auf den Markt. Die batterieelektrische Version gibt es in zwei Varianten mit Höchstgeschwindigkeiten von 45 km/h oder 80 km/h. In beiden Fällen liegen die Reichweiten bei 50 bis 80 km und es dauert etwa drei Stunden, bis die Batterie an einer Haushaltssteckdose aufgeladen ist. Nutzt man die Pocket Rocket für die tägliche Fahrt zur Arbeit, reicht das in der Regel völlig aus. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen man sich eine möglichst kurze Ladezeit und eine hohe Reichweite wünscht, so z. B. beim Einsatz von Leichtkrafträdern im Katastrophenschutz. Neben einer hohen Reichweite wird hierfür eine durchgehende Verfügbarkeit gefordert. Bedingungen, die ein Brennstoffzellenfahrzeug erfüllt.

Brennstoffzelle als Range Extender

Doch wie kann man ein Brennstoffzellensystem, einen Wasserstofftank und die für den Start nötige Batterie so in die Pocket Rocket integrieren, dass die Reichweite erhöht wird, das Gewicht aber nahezu gleichbleibt und keine höheren Kosten entstehen? Nach intensiver Forschungstätigkeit inklusive Berechnungen und Aufbau eines Labor-Musters fanden Prof. Dr. Volker Schulz, der wissenschaftliche Mitarbeiter Kai Tornow und Prof. Dr. Wolf Burger (DHBW Stuttgart, Campus Horb) eine Antwort: Statt eines reinen Brennstoffzellenantriebs nutzt man die Brennstoffzelle als Range Extender. So wird sie primär dazu verwendet, die Batterie zu laden. Durch das Brennstoffzellensystem kann die Batterie bei gleicher Motorleistung (1 000 W) von 2,5 kWh auf 0,35 kWh verkleinert werden.

Rekordwerte bei Reichweite und Tankdauer

Für die Reichweite des Fahrzeugs ändert die Batteriegröße nichts, denn diese ist nur vom Tankvolumen abhängig. Der Wasserstoffverbrauch liegt bei ca. 200 g auf 100 km – mit 1 kg Wasserstoff könnte die Pocket Rocket H2 also 500 km weit fahren. Das Problem dabei: Selbst komprimiert hat 1 kg Wasserstoff ein Volumen von fast 40 Litern und wiegt 24 kg, somit zu viel für ein Leichtkraftrad. Also entschied sich das Team für ein Tankvolumen von 350 g, sodass die wasserstoffbetriebene Pocket Rocket H2 ca. 150 km weit fahren könnte. "Es erstaunlich, dass die Pocket Rocket H2 gegenüber der batterieelektrischen Version nur um ca. 2 kg schwerer wird. Und das bei doppelter Reichweite! Wir sparen hier durch die Verkleinerung der Batterie knapp 12 kg – Gewicht, das wir für die neuen Komponenten wie Brennstoffzelle (4 kg) und Tank (9 kg) benötigen. Getankt ist auch schnell, nach nur 14 Sekunden ist der Wasserstofftank wieder voll. Weiterer Pluspunkt dieser Vorgehensweise: Die elektrische Verschaltung als Range Extender stellt nur einen minimalen Eingriff in das Regelungssystem dar und eignet sich besonders für die Nachrüstung von batterieelektrischen Fahrzeugen", berichtet Prof. Dr. Volker Schulz. In einem Nachfolgeprojekt werden Laboraufbau und Pocket Rocket zu einem echten Wasserstoffleichtkraftrad zusammengeführt.

Technologischer Vorsprung dank Kooperation zwischen Industrie und Hochschule

Das Vorhaben "Pocket Rocket H2" wurde im Rahmen der Innovation Challenge Mobilität und Produktion 2021 vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg gefördert. "Das Projekt 'Pocket Rocket H2' ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Projektideen der Industrie verknüpft mit der Forschungsstärke unserer Hochschulen in kurzer Zeit realisiert werden und so technologische Vorsprünge möglich machen", sagt Wissenschaftsministerin Petra Olschowski.  Von der Projekteingabe bis zum Förderentscheid in nur zwei Monaten: Die Innovation Challenge des Wissenschaftsministeriums habe sich als Format für den schnellstmöglichen Brückenschlag zwischen Wirtschaft und Wissenschaft mehr als bewährt. "Von diesen Kooperationen profitiert der Wirtschaftsstandort dauerhaft, indem beispielsweise junge Ingenieur*innen bereits im Studium mit besonders innovativen Firmen und gerade auch kleinen und mittleren Unternehmen zusammenarbeiten."